St. Petersburg 1909/ Russland

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Emanuel Lasker
Ende 1908 wurde Lasker 40 Jahre alt. Er hatte bereits dreimal den Weltmeistertitel verteidigt. An eine "Pause" war jedoch nicht zu denken. Wie der russische Dichter Alexander Block sagte, "bleibt Ruhe nur ein Traum". Die Leidenschaften in der Welt des Schachs weiteten sich aus. Die Nachfolge der abtretenden Generation berühmter Meister wie Steinitz, Tschigorin, Pillsbury, Blackburne (der Teilnehmer der Schlacht bei Hastings 1895!) trat eine Plejade junger Talente an - Duras, Maroczy, Rubinstein... Am 25. Januar 1908 verstarb im Alter von 57 Jahren Michail Tschigorin, den Lasker hochschätzte. Er schrieb später: "Ich erinnere mich gern an Michail Iwanowitsch. Dies war ein lebendiger, liebenswürdiger Mensch, offen und aufrichtig ... M. I. Tschigorin war mehr Künstler als Philosoph. Als folgerichtiger Denker ist Steinitz höher einzuordnen. Im Verständnis echter Schönheit schachlicher Kunst überragte Tschigorin Steinitz indes bei weitem." Interessant ist, dass im Verlauf von zehn Jahren (1895 - 1904) auf allen Turnieren, an denen Lasker als Weltmeister teilnahm, auch Tschigorin dabei war. In diesen Jahren spielten sie gegeneinander zwölf Turnierpartien. Nachdem er das erste Treffen in Hastings verlor, nahm Lasker in Petersburg, Nürnberg, London und Cambridge Springs vielfältig Revanche und nur in Paris einigten sie sich auf remis. Das Gesamtergebnis lautete 9,5:2,5 (+8, -1, =3) zu Gunsten von Lasker. Nicht mitgerechnet ist dabei ihr thematischer Wettkampf über sechs Partien zum Rice-Gambit.
Anfang 1909 wurde zum Gedenken an Tschigorin auf Initiative der Petersburger Schachversammlung ein großes internationales Turnier veranstaltet. An ihm nahmen zwölf ausländische Meister und die sieben stärksten Schachspieler Rußlands teil. In einem schon Ende 1908 herausgegebenen Zirkular des Organisationskomitees hieß es:

"... Unter anderen erklärte auch der Schachweltmeister Dr. Em. Lasker seine Bereitschaft, zum Turnier zu kommen. Sein seltenes Auftreten auf der internationalen Bühne muss dem Petersburger Turnier besonderen Reiz verleihen, zumal Em. Lasker erst vor kurzem in einem denkwürdigen Treffen Dr. S. Tarrasch bezwang." Nach diesem überzeugenden Wettkampfsieg zweifelte kaum jemand an einem neuen Erfolg des Weltmeisters. Mit einem Lächeln äußerte sich Lasker zu diesen Prognosen: "Ja, aber mir liegen noch zwei Steine im Wege." Er meinte damit Akiba Rubinstein und Ossip Bernstein, deren Familiennamen in der deutschen Sprache auf "-stein" endeten. Außer ihnen zählte man zu den Anwärtern auf die vorderen Plätze Oldrich Duras, der ein Jahr zuvor auf zwei hochkarätig besetzten Turnieren glänzend abschnitt (1. - 3. Platz in Wien und 1. - 2. Platz in Prag), und Carl Schlechter. Am Vorabend des Turniers schrieb Lasker in der "Frankfurter Zeitung", dass es zu einem Kampf zwischen der alten und der jungen Generation kommen würde und "es nicht überraschen könne, wenn der Sieger des Turniers ein Vertreter der Jugend wäre."

Nach 25tägigem Ringen teilten sich Lasker und der 26jährige Rubinstein die ersten beiden Plätze. Sie holten 14,5 Punkte aus 18 möglichen. Lasker erzielte in diesem Turnier die meisten Siege - 13, Rubinstein verlor die wenigsten Partien - nur einmal musste er sich seinem Landsmann Fedor Dus Chotimirsky beugen. Dieser 30jährige russische Meister konnte übrigens, obwohl er nur den 13. Platz belegte, beide Spitzenreiter bezwingen.

Lasker begann das Turnier, wie dies schon des öfteren bei ihm der Fall war, nicht sehr erfolgreich. In der Startrunde spielte er gegen Schlechter remis, und in der dritten Runde unterlag er dem glänzend aufgelegten Rubinstein. Allmählich fand er jedoch zu einer besseren Form und gelangte durch eine Reihe ausgezeichneter Siege noch an die Tabellenspitze. Dazu gehörte auch die strategisch überaus fein gewonnene Partie gegen Mieses, die nach Meinung Bernsteins eine der besten war, die der Weltmeister je spielte.

Zu den besten Leistungen Laskers im Petersburger Turnier gehörte auch die in der letzten Runde gespielte Partie gegen Richard Teichmann, der übrigens nur einen Tag älter war als der Weltmeister. Um den 1. Platz zu erreichen, zählte für den nur ein Sieg! Und er errang ihn in wahrhaft beeindruckendem Angriffsstil.