Es war das erste internationale
Turnier, das in Russland durchgeführt wurde. Erstmals kam auch Lasker nach Petersburg. Man hatte ihn schon mehrfach
dorthin eingeladen, um einen Wettkampf gegen Tschigorin zu bestreiten. Er konnte diese
Einladung aber nicht annehmen, da er zunächst die Verpflichtung zu einem
Revanchewettkampf mit Steinitz einlösen musste. In der ersten Runde traf Lasker mit Weiß
auf Pillsbury. Dieser überraschte ihn durch die Wahl der Eröffnung. Wollte er den
lokalen Schachfreunden Reverenz erweisen oder Lasker bereits zu Beginn der Begegnung vor
schwierige Probleme stellen, auf jeden Fall wartete er mit der in der Turnierpraxis nicht
oft vorkommenden Petrow-Verteidigung auf, der man später die Bezeichnung Russische Partie
gab (1.e4 e5 2.Sf3 Sf6). Lasker behandelte die Eröffnung nicht auf beste Weise und
erhielt Schwierigkeiten mit der Entwicklung des Damenflügels. Sein Kontrahent griff
erfindungsreich an und kam schon nach 33 Zügen zum Erfolg. In der anderen Partie dieser
Runde triumphierte Tschigorin über Steinitz.In der zweiten Runde kreuzten die beiden Verlierer Lasker und Steinitz
die Klingen. Erneut spielte Lasker, wie schon in Hastings, mit Weiß, und wieder entschied
er sich für eine Spanische Partie. Diesmal konzentrierte Steinitz seine Kräfte
allerdings nicht auf einer, sondern auf den letzten beiden Reihen ... Der Exweltmeister
bereitete lange den programmgemäßen Vorstoß f7 - f5 vor und setzte seinen Plan
schließlich durch. In der folgenden Situation fasste er ein Qualitätsopfer ins Auge.
In der dritten Runde hielt Lasker für Tschigorin, einem
Spezialisten des Evans-Gambits, eine Überraschung bereit. Statt des üblichen Zuges 7....
ed bot er unerwartet mit 7. Lb6! ein Rückopfer des Bauern an. Diese Fortsetzung war eine
theoretische Neuerung und bekam in der Folge die Bezeichnung Lasker-Verteidigung. Ganz
offensichtlich hatte er Konzeption und Schlachtplan in dem von ihm erarbeiteten System
tief durchdacht. Er spielte bemerkenswert leicht und verbrauchte für die gesamte Partie
nur 1 Stunde und 15 Minuten!
Von vielen Schachspielern wurde die Lasker-Verteidigung als
Widerlegung des Evans-Gambits angesehen. Tschigorin war damit nicht einverstanden. Ein
Jahr später, am 9.Januar 1897, fand in Petersburg zwischen Lasker und ihm eine
Demonstrationspartie mit dieser Eröffnung statt. Das Ergebnis blieb das gleiche: Weiß
gab sich im 57. Zuge geschlagen. Das Turnier in Petersburg nahm einen äußerst spannenden
Verlauf, und die Resultate der Miniwettkämpfe aus sechs Partien waren nicht
vorherzusagen. Nach der ersten Hälfte der Veranstaltung hatte Lasker 5,5 Punkte aus 9
möglichen auf seinem Konto, wobei er je 2,5 Punkte aus den Partien mit Steinitz und
Tschigorin holte. Nur einen halben Zähler verbuchte er indes gegen Pillsbury, der sich
mit 6,5 Punkten an die Spitze setzte. Steinitz verfügte über 4,5, Tschigorin nur über
1,5 Punkte. Die Redensart, dass ,,zu Hause auch die Wände helfen", bewahrheitete
sich hier nicht. Tschigorin war mit dem Ablauf des Turniers in Petersburg überhaupt nicht
zufrieden, zumal viel organisatorische Arbeit auf seinen Schultern lastete und die
Beziehungen zu Mäzenen nicht funktionierten. Auch in Russland hatten es die
Berufsschachspieler damals schwer!
Die zweite Hälfte des Turniers fiel bereits in das Jahr1896.
Für Lasker begann sie am 4. Januar mit einem Glanzsieg gegen Pillsbury.
Der Weltmeister opferte gegen Steinitz also die Dame. gegen
Tschigorin einen Turm und gegen Pillsbury gar beide Türme! Amos Burn nannte diesen
Angriff Laskers eine der schönsten Kombinationen aller Zeiten! Man kann sich vorstellen,
welchen Auftrieb sie Emanuel Lasker gab, der diese Partie als eine der besten in seiner
gesamten Schachkarriere wertete. Er spielte die zweite Hälfte des Turniers noch stärker
als die erste und belegte mit insgesamt 11,5 Punkten überlegen den ersten Platz.
Pillsbury hingegen, der Held von Hastings und der
Dezemberrunden von Petersburg, erlitt in der zweiten Turnierhälfte ein Fiasko, als er
drei Partien gegen Steinitz und zwei gegen Tschigorin verlor. Insgesamt holte der
amerikanische Schachspieler aus der vierten bis sechsten Runde 1,5 Punkte und fiel auf den
3. Platz zurück, wobei er nicht nur den Weltmeister, sondern auch Exweltmeister Steinitz
(9.5 Punkte) an sich vorbeiziehen lassen musste. Tschigorin blieb trotz seines
ausgezeichneten Spiels in der zweiten Hälfte des Turniers mit 7 Punkten auf dem 4. Rang.
Lasker gewann auch zwei der drei Miniwettkämpfe: gegen Steinitz
mit 4:2 (+ 3, - 1, = 2), gegen Tschigorin mit 5:1 (+ 4, - 0, = 2). Gegen Pillsbury verlor
er mit 2,5:3,5 ( + 1, - 2, = 3).
So zeigten sowohl die sportlichen als auch die schöpferischen
Ergebnisse der Turniere in Hastings und Petersburg, dass Lasker
des Titels des stärksten Schachspielers unseres Planeten würdig war. Er beherrschte
gleichermaßen die Kunst der Verteidigung wie des Angriffs! Er überzeugte in der
Eröffnung wie in den unterschiedlichsten Mittelspielsituationen und übertraf alle seine
Kontrahenten im Endspiel.