Match Lasker - Tarrasch 17.August 1908 in Düsseldorf/ Deutschland

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Emanuel Lasker

Deutschland

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Siegbert Tarrasch
Deutschland

  1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 Punkte
Lasker 1 1 0 1 1 ½ 1 ½ ½ 0 1 0 1 ½ ½ 1 10½
Tarrasch 0 0 1 0 0 ½ 0 ½ ½ 1 0 1 0 ½ ½ 0 5½
Nach dem Wettkampf Lasker - Marshall blieben noch zwei Hauptanwärter auf den Weltmeistertitel - Tarrasch und Janowski. Der deutsche Meister bekräftigte seinen hervorragenden Ruf durch einen Sieg im sogenannten ,,Turnier der Champions" im Mai/Juni 1907 in Ostende, wo er Schlechter, Marshall, Janowski, Burn und Tschigorin hinter sich ließ. Im Grunde genommen war dies ein ,,Kandidatenturnier", auf dem sich nochmals bestätigte, daß der Anspruch Tarraschs auf einen Wettkampf mit dem Weltmeister zu Recht bestand.

Im Jahre 1908 verließ Lasker Amerika und kehrte in seine Heimat zurück. Hier wurde schließlich auch die Übereinkunft erzielt, daß der Wettstreit zwischen Lasker und Tarrasch im August beginnen sollte.

Sechzehn lange Jahre waren vergangen, seit Lasker Tarrasch zu einem Wettkampf herausforderte und eine Absage erhielt. Schon bald hatten die Kontrahenten die Rollen getauscht, und es war fortan Tarrasch, der sich um diesen Wettkampf bewarb. Jetzt aber gestalteten sich die konkreten Umstände bekanntlich gegen ihn: bald erlitt er beim Schlittschuhlaufen einen Unfall, bald nahm ihn seine Arztpraxis übermäßig in Anspruch. Trotz allem wird man den Eindruck nicht los, daß Tarrasch einem Zusammentreffen mit Lasker auf wichtigen Veranstaltungen aus dem Wege ging. Nach Nürnberg (1896) spielten beide keine einzige Partie gegeneinander. Tarrasch beteiligte sich nicht an Turnieren, auf denen Lasker spielte und aus denen dieser fast immer als Sieger hervorging. Er schlug sich jedoch auf anderen, ebenfalls hochkarätigen Turnieren und errang dort nicht selten den 1. Preis. Nach jedem neuen Erfolg betonte Tarrasch. daß die Schachwelt verpflichtet sei, einen Wettkampf zwischen ihm und Lasker zu organisieren. Zum Zeitpunkt ihres Treffens war Siegbert Tarrasch 46 Jahre alt. Auf den Wettkampf mit Lasker hatte er sich lange und gründlich vorbereitet.

Unmittelbar vor dem Treffen analysierte er gewissenhaft die Partien des Wettkampfes Lasker - Marshall und gab über sie ein Buch heraus. Er wußte um die Eröffnungsvorlieben des Gegners, spürte seine Neigung zu aktivem Handeln im Mittelspiel und schätzte seine exakte Endspielführung. Und dennoch blieb Tarrasch bei seiner Auffassung, daß Lasker von unerklärlichem Glück begleitet sei. Dies wiederum bedeutete, daß er die psychologisch durchdrungene schöpferische Methode des Weltmeisters verkannte, daß er Lasker weder als Persönlichkeit noch als Philosoph und Kämpfer verstand. Da er all dies nicht begriff, war Tarrasch von Beginn an chancenlos!

Der lang erwartete Wettkampf Lasker - Tarrasch begann am 17. August 1908 in Düsseldorf. Er war ohne Wertung von Punkteteilungen auf 8 Gewinnpartien angesetzt. Die Bedenkzeit betrug eine Stunde für 15 Züge. Gespielt wurden sechs Stunden am Tag. Den Organisatoren gelang es, den hohen Preisfonds von 6500 Mark aufzubringen, von denen der Gewinner 4000 Mark und der Verlierer den Rest erhielt. Nicht gerechnet sind hier 7500 Mark, die der Weltmeister erhielt, um in den Wettkampf einzuwilligen. Zweitausend Zuschauer waren während der 1. Partie zugegen.

Der Auslosung entsprechend hatte Lasker Weiß. Er wählte die Abtauschvariante der Spanischen Partie, überließ dem Gegner also das Lauferpaar und damit nach der Vision Tarraschs ,,die Zukunft" Schon im 6. Zuge verschwanden die Damen vom Brett, doch bedeutete dies nicht die Aufnahme von ,,Friedensverhandlungen". Weiß gelang es durch geschicktes Spiel, einen Freibauern auf der g-Linie zu bilden, für den Tarrasch eine Figur geben mußte. Im 55. Zuge konnte Lasker seinen ersten Sieg verbuchen. Im 2. Treffen kam es erneut zu einer Spanischen Partie. Im übrigen wurde diese Eröffnung in 9 der 16 Begegnungen angewandt, davon sechsmal, als Tarrasch Weiß hatte. Die 2. Partie war eine der spannendsten und in ihrem Wesen äußerst prinzipiell.

Diese Niederlage versetzte Tarrasch einen schweren Schlag. Die folgende zweitägige Pause ließ ihn jedoch wieder zu sich finden, und es gelang ihm sogar, den Rückstand auf einen Punkt zu verkürzen. In der 3. Begegnung opferte Lasker nämlich mit Weiß in einer theoretischen Variante der Spanischen Partie einen Bauern, wählte dann aber nicht den besten Angriffsplan und räumte seinem Kontrahenten Gegenchancen ein, die dieser ausgezeichnet nutzte. Im übrigen wiederholte Lasker die gleiche Fortsetzung nochmals in der 5. Partie, wobei er den Angriff diesmal überzeugend zum Siege führte. Tarrasch riskierte danach nicht mehr, mit Schwarz 1. ... e5 zu spielen, und ging fortan zur Französischen Verteidigung über.

Nach der 4. Partie trat eine Wertkampfpause von einer Woche ein, in der die Kontrahenten von Düsseldorf nach München übersiedelten. Als Tarrasch seinen mißlungenen Statt kommentierte (1 :3), verwies er auf den Einfluß des Klimas. Es sei daran erinnert, daß 13 Jahre zuvor die Winde des Ärmelkanals Tarrasch in Hastings "einschläferten", jetzt war es angeblich die Brise vom Rhein, die sich nachteilig auf sein Wohlbefinden auswirkte ... Tatsächlich war ein ganz anderer ,,frischer Wind" schuld - das neuartige Herangehen Laskers an alle Aspekte des Schachkampfes. Dieser hatte die starken und schwachen Seiten seines Gegners eingehend studiert und eine definitive Schlußfolgerung gezogen: Gegen den "korrekten" Tarrasch muß man ein Risiko ins Spiel bringen!

In der 5. Partie kam Lasker, wie bereits erwähnt, erneut zum Erfolg, die 6. endete nach spannendem Kampf remis. In ihr erlangte Tarrasch ein positionelles Übergewicht, griff aber in Zeitnot fehl, und in einem Turmendspiel einigte man sich schließlich auf die Punkteteilung. In der nächsten Begegnung wählte Lasker kaltblütig eine Variante, mit der er einen Tripelbauern (!) in der c-Linie in Kauf nahm.

Dies war für das ,,klassische Denken" seines Rivalen geradezu eine Herausforderung, weshalb er auch mit allen Mitteln daranging, diese vereinzelten Bauern zu vernichten. Inzwischen gelang es Lasker jedoch, seinen Turm zu aktivieren und mit ihm auf die ,,einträgliche" 7. Reihe einzudringen. Und als Tarrasch die c-Linie im 37. Zuge von der weißen Bauernkolonne ,,gesäubert" hatte, konnte sein Gegenüber in einem Turmendspiel bereits auf zwei Mehrbauern verweisen. Lasker behandelte den Schlußteil der Partie technisch perfekt und gewann im 76. Zuge. Lasker führte nunmehr mit 5:1. Eine Vorentscheidung im Wettkampf war gefallen. Tarrasch raffte sich jedoch noch einmal auf und leistete in den folgenden Partien zähesten Widerstand. Den Sieg seines Kontrahenten im 10. Treffen in nur 32 Zügen nannte Lasker eine Glanzleistung Tarraschs. Tags darauf zerschmetterte der Weltmeister seinen Gegner in lediglich 28 Zügen!

Trotzdem ging das Interesse am Wettkampf nicht zurück. Zur 12. Partie waren im Saal des Münchener Stadtrates mehr als tausend Zuschauer versammelt. Tarrasch wählte das Vierspringerspiel, trumpfte begeisternd auf und gewann im 65. Zuge. Dies war sein letzter Erfolg. Schon in der nächsten Begegnung nahm der Champion Revanche. Die 14. Partie wurde zur längsten, die Lasker in all seinen Wettkämpfen um die Weltmeisterschaft spielte: Sie dauerte 119 Züge! Tarrasch versuchte hartnäckig, ein Endspiel ,,Turm und Läufer gegen Turm" zu gewinnen. Obwohl es ihm gelang, den König auf die Randlinie zu treiben, konnte er sich letztlich aber nicht durchsetzen. Ebenfalls remis endete die 15. Partie. Insgesamt gab es in diesem Wettkampf fünf Punkteteilungen. In der kürzesten von ihnen wurden 48 Züge gemacht, in allen fünf - 344 Züge! Schon dies zeugt von der Kompromißlosigkeit des Kampfes!

Die 16. Begegnung sollte zur letzten in diesem historischen Ringen werden. Tarrasch entschied sich erneut für das Vierspringerspiel. Diese Partie erscheint deshalb originell, weil jeder der vier Springer zu irgendeinem Zeitpunkt gefesselt war, zunächst die beiden schwarzen, dann die weißen. Lasker opferte zwei Figuren für Turm und Bauer. Dabei wog die Aktivität seiner Figuren den geringen Materialvorteil des Gegners völlig auf. Hinzu kam, daß die weißen Kräfte an die Verteidigung ihres Königs gebunden waren.

In Zeitnot machte Tarrasch einen entscheidenden Fehler, nach dem er die Uhr anhielt und dem Gegner zum Sieg gratulierte. Das Endergebnis des Wettkampfes lautete somit +8, -3, =5 zugunsten des Weltmeisters.