Match Lasker - Blackburne in London 1892/ England

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Emanuel Lasker

Deutschland

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Joseph Henry Blackburne
England

  1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Punkte
Blackburne 0 ½ ½ 0 0 ½ 0 0 ½ 0 2
Lasker 1 ½ ½ 1 1 ½ 1 1 ½ 1 8
 Die Hauptstadt Englands war lange Zeit das Zentrum des internationalen Schachlebens, das viele berühmte Meister anzog, die zu Anwärtern auf die Weltmeisterschaft wurden - Wilhelm Steinitz, Johann Zukertort, Isidor Gunsberg. Jetzt kam auch Lasker hinzu. Unmittelbarer Anlass der Reise nach London war die dort 1891 durchgeführte Deutsche Industrieausstellung. Ihr Direktor, ein großer Liebhaber des Schachs, wollte das in diesem Lande populäre Spiel nutzen, um die Anzahl der Besucher zu erhöhen und lud Lasker ein, eine Zeitlang in einem Schachpavillon zu agieren. Emanuel sagte zu, da er auf diese Weise seinen Eltern und Schwestern helfen konnte, nach Berlin zu ziehen. Obwohl das 60 jährige Familienoberhaupt dadurch ohne Arbeit blieb, behielt er seine geistige Frische. Die Töchter waren schon erwachsen, und Adolf ging daran, die Mußestunden zu nutzen, um seine Bildung durch das Studium der lateinischen und griechischen Sprache zu ergänzen. So traf er sich auf einem "Umweg" mit den Interessen seiner Söhne: Der ältere beherrschte Latein, als er den hippokratischen Eid ablegte, und der jüngere machte sich ausgezeichnet die Lehren und Postulate der griechischen Mathematiker und Philosophen zu eigen!

Um die Verwirklichung seiner Pläne und eine sorgenfreie Existenz der Familie materiell abzusichern, beschloß Lasker, zumindest zeitweilig das Studium an der Universität aufzugeben und das Schachspiel professionell zu betreiben. Nach Beendigung der Ausstellung bleibt er in England und nimmt 1892 an dem Turnier des 7. Kongresses der Britischen Schachassoziation teil. Der Anführer der englischen Schachspieler, James Blackburne, widersetzte sich der Einladung des deutschen Meisters zu dieser nationalen Veranstaltung und drohte sogar, selbst abzusagen. Seine Argumente konnten die Organisatoren jedoch nicht überzeugen. Lasker wurde zugelassen und feierte einen glänzenden Sieg, wobei er den 2. Preisträger, den irischen Meister James Mason (1849 - 1905), um 1,5 Punkte hinter sich ließ. Als er die Ergebnisse des Turniers kommentierte, schrieb der Redakteur der Zeitschrift ,,The Chess Monthly", Leopold Hoffer: ,,Der Sieg Laskers ist für uns keine Überraschung."

Von der gewachsenen Autorität Laskers in England zeugte auch der Charakter einiger Partien. So spielte Lui van Fliet, der einzige, der in Amsterdam gegen Lasker gewann, diesmal selbst mit den weißen Steinen äußerst vorsichtig und verbarg nicht sein Interesse an einer Punkteteilung.

Kaum war der Kongress beendet, da organisierte der Britische Schachbund (British Chess Club) ein doppelrundiges Turnier mit Lasker und den vier stärksten Schachspielern Englands - Blackburne, Mason, Gunsberg und Bird. Wieder wurde Lasker Erster, was ihm ein Preisgeld von 50 Pfund Sterling eintrug. Dabei gewann er beide Male gegen Blackburne und Bird und gab nur drei halbe Punkte ab.

Jetzt kam Joseph Henry Blackburne (1841—1924) nicht mehr umhin, im Mai desselben Jahres zu einem Wettkampf gegen Lasker anzutreten. Schon Howard Staunton war auf diesen bemerkenswerten Schachspieler aufmerksam geworden und hatte den 20jährigen jungen Mann zum Zweiten Londoner Internationalen Turnier (1862) eingeladen, wo übrigens auch Steinitz debütierte.

Charakteristisch für ,,black death" (Schwarzer Tod) war wie für viele andere englische Schachspieler eine bewundernswerte Kaltblütigkeit in kompliziertesten Situationen am Brett und bei anderen Anlässen. Mit der Seele und im Kampf blieb Blackburne stets ein Romantiker, der kühn halsbrecherische Verwicklungen schuf und glänzend kombinierte. Besonders beachtenswerte Erfolge erzielte er in Turnieren. Es genügt, an solche Siege Blackburnes in den 80er Jahren zu erinnern wie in Wiesbaden (1880), Hereford (1885), London (1886) und vor allem auf dem glänzend besetzten Turnier in Berlin 1881, wo er den 2. Preisträger Zukertort um 3 Punkte hinter sich ließ!

Um so überraschender kam deshalb sein Ergebnis im Aprilturnier von London (1892), bei dem er unter den fünf Teilnehmern nur den 2. Platz belegte und in beiden Partien gegen den Meister aus Berlin den kürzeren zog. Obwohl Blackburne ein ausgezeichneter Turnierkämpfer war, erlitt er in Zweikämpfen mit Koryphäen mitunter empfindliche Schlappen. Den bevorstehenden Wettkampf mit Lasker hoffte er natürlich zu gewinnen.

Am 27. Mai eröffnete Blackburne die erste Begegnung mit dem Königsbauern. Lasker blieb sich treu und wählte in der Spanischen Partie die Steinitz-Verteidigung. Weiß ging sehr bald entschlossen am Königsflügel vor, wobei er seinen König in der Mitte stehenließ. Lasker verteidigte sich ruhig und exakt. Im 33. Zuge erreichte der Kampf seinen Höhepunkt. Weiß hatte seine Figuren in scheinbar ideale Angriffspositionen gebracht. Aber plötzlich geriet sein Springer c5, der auf den ersten Blick so erfolgreich ins gegnerische Lager eingedrungen war und dem weißfeldrigen Läufer alle nützlichen Felder nahm, in eine Falle. Mit einer Figur weniger sah sich Blackburne schnell zur Kapitulation gezwungen. In der 2. Partie gelang es dem englischen Meister, für nur einen Bauern die Qualität zu gewinnen. Doch diesmal agierte der weiße Springer erfolgreicher, und Lasker konnte alle Gefahren abwenden. Im 55. Zuge endete das Spiel remis. Zum gleichen Resultat kam es auch im 3. Treffen.

Dann gewann Lasker die 4. und 5. Partie. Es entstand der Eindruck, dass ihm die ersten drei Begegnungen nur zu ,,Aufklärungszwecken" dienten. Jetzt wusste er, wie er diesen Kontrahenten zu bekämpfen hatte, um ihn in die Knie zu zwingen. Blackburne kam auch in den folgenden fünf Partien nicht mehr dazu, seine kombinatorische Begabung zu demonstrieren.

Lasker hatte gleichermaßen Erfolg mit den weißen wie den schwarzen Figuren. Er gewann in diesem Wettkampf mit beiden Farben je drei Partien. Mit Schwarz bekam er in der Regel keine besonderen Schwierigkeiten, obwohl sein Kontrahent als äußerst theoriekundig galt. Das Eröffnungsrepertoire Blackburnes war in diesem Wettkampf recht vielgestaltig. Er spielte die Spanische Partie, das Damengambit, und in der 7. Begegnung wählte er die Wiener Partie. Dabei wollte er Lasker dadurch überraschen, dass er schon im 3. Zuge vom üblichen Entwicklungsschema (3.f2-f4) abwich und statt dessen mit 3.d2-d4 aufwartete. Lasker konnte dies jedoch nicht in Verlegenheit bringen. Er fand die beste Erwiderung auf den weißen Plan, tauschte die Damen und nutzte danach geschickt den in diesem Fall realen Vorteil des Läuferpaares in einer offenen Stellung.

Der Wettkampf endete 8:2 zugunsten Laskers.