Match Anderssen - Steinitz 1866 in London/ England

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Wilhelm Steinitz

USA

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Adolf Anderssen

Deutschland

  1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 Punkte
Anderssen 1 0 0 0 0 1 1 1 1 0 0 1 0 0 6
Steinitz 0 1 1 1 1 0 0 0 0 1 1 0 1 1 8
Am 18.Juli des Jahres 1866 begann das Match zwischen Wilhelm Steinitz und Adolf Anderssen in London. Anderssen galt damals als stärkster Spieler der Welt.

Ein Novum war, dass zum erstenmal in der Geschichte des Schachspiels mechanische Schachuhren (Sanduhren) zum Einsatz kamen. In 2 Stunden mussten jeweils 20 Züge geschehen!

In der 1.Partie beging Steinitz in ausgeglichener Stellung mit 35...Tc3 (statt 35...Tc1+ nebst Lc5) einen schrecklichen Fehler, den Anderssen zur sofortigen 1:0 Führung nutzte.

Die folgenden 3 Partien wurden von Steinitz sehr gut gespielt und er gewann sie relativ glatt. Anderssen hatte dem Spiel von Steinitz relativ wenig entgegenzusetzen.

In der 5.Partie stellte Anderssen in unklarer Stellung mit 40.Kh1 (statt 40.Kg2) die Dame und damit die Partie ein. Also ein taktisches(!) Versehen Anderssens!

Steinitz führte nun nach 5 Partien mit 4:1 und alles schien klar.

Doch in der 6.Partie ergab sich plötzlich ein neues Bild! Anderssen ließ sich gegen Steinitz's 1.e4 nicht mehr auf das Königsgambit ein, mit dem er im seitherigen Matchverlauf keine guten Erfahrungen gemacht hatte. Er wählte die sizilianische (!) Verteidigung und... gewann eindrucksvoll! Besonders bemerkenswert ist das positionelle Spiel Anderssens vom 21. bis zum 25.Zug mit dem Abschlusszug 25...Sb8! Jeder andere Spieler hätte vielleicht den Springer nach d4 gezogen, aber es zeigt sich, dass Anderssens Plan, den Springer über d8 und b7 nach c5 zu ziehen, richtig ist, denn von c5 aus unterstützt der Springer den Bauernvormarsch nach a4, der schließlich die Entscheidung in der Partie brachte.

In der 7.Partie sah man einen entfesselten Adolf Anderssen mit brilliantem Kombinationsfeuerwerk, wie man es von ihm gewohnt war. Mit 16.Lxg7 schlug der erste Feuerwerkskörper in die Festung Steinitz's ein. Anderssen gewann in grossem Stil und verkürzte auf 3 :4.

Und tatsächlich, dasselbe wiederholte sich in der 8.Partie. Anderssen brillierte nach einem überhasteten Figurenopfer von Steinitz mit einer herrlichen Serie vom 19. bis 24.Zug und gewann!

Es stand 4 : 4 !

In der 9.Partie ging Steinitz im Kombinationswirbel Anderssens unter, als er im 28.Zug mit 28...Ld8 statt 28...Df7 den Vorteil aus der Hand gab.

Das Unglaubliche war geschehen: aus einem 1 : 4 Rückstand hatte Anderssen nach 9 Partien eine 5 : 4 Führung gemacht!

In der 10.Partie geschah das bezeichnende dieses Wettkampfs: Anderssen ließ sich im 19.Zug mit 19...Dg6 (statt 19...Dc8) auf ein Abenteuer ein, zu dem die Stellung keinen Anlass gab. Er vertraute auf seine Kombinationskraft und das freie Spiel der Figuren ohne die positionellen Voraussetzungen dafür zu schaffen, im Gegensatz zu Steinitz! Das war der Grund, warum Anderssen diese Partie verlor.

In der nächsten Partie das gleiche Bild: Anderssen opfert in gleicher Stellung im 24.Zug den Bauern a2, ohne dass die Stellung Veranlassung zu diesem Opfer geben würde. Sein Spiel dringt nicht durch und er verliert.

In der 12.Partie wählt Anderssen wieder die sizilianische Verteidigung und gewinnt nach diszipliniertem Spiel ein klassisches Endspiel "guter Springer gegen schlechten Läufer", nachdem Steinitz dieses im 40.Zug durch 40.Sc4 zugelassen hatte.

Damit war das Match wieder ausgeglichen: 6 : 6.

In der 13.Partie wählte Anderssen zum erstenmal in diesem Match die Spanische Eröffnung. Es entwickelte sich ein schwerblütiger positioneller Kampf bei dem Weiss am Damenflügel und Schwarz am Königsflügel angriff. Im Verlauf des Kampfes wurde Anderssen's Turm auf a3 eingesperrt. Steinitz gewann durch Angriff am Königsflügel und zeigte makelloses Spiel.

In der 14.Partie unterlief Anderssen mit 20...Ld7 ein Fehler, der den weissen Springer nach c4 lässt und langfristig mindestens einen Bauern verliert. Es ist schön, mitanzusehen, wie Steinitz den Bauern a5 zur Schwäche machte. Steinitz lässt sich die Partie nicht mehr aus der Hand nehmen. Damit steht es 8 : 6 für Steinitz.

Es war ein gewalttätiges Match, jede Partie wurde ausgekämpft. Es gab nicht eine einzige Remispartie!

Das Match dauerte bis zum 10.August. Dann hatte Wilhelm Steinitz Anderssen mit 8 : 6 besiegt.

Steinitz wurde von da an allgemein als bester Spieler in der Welt anerkannt. Als Preis für seinen Matchsieg erhielt er 100 englische Pfund.
Das Zeitalter der Ära Steinitz begann.

Ergebnis: 8 : 6 für Steinitz.