VORBILD-MOTIVE FÜR DIE PERSÖNLICHE PARTIE-ANLAGE
Copyright © Martin Böhm

Das positionelle Opfer

Einleitung:


Wie langweilig wäre Schach, wenn man seine Phantasien nicht umsetzen dürfte, oder wenn man nie was riskieren würde.....erfahrungsgemäß entwickeln sich dann die spannensten Partien, wenn man (kurz entschlossen) dem Gegner Entscheidungen abverlangt, so nach dem Motto, Du hast die Wahl: entweder Du nimmst das angebotene Material und ich erhalte Kompensation dafür oder (die ängstliche Entscheidung des Gegners) Du gibst mir Vorteil, ohne daß ich Nachteile in Kauf nehmen muß.
Selbstverständlich muß man/sollte man das/sein Schach-Handwerk verstehen, also wichtige Strukturen und Motive kennen, sonst ist nachfolgender Darlegung nicht Erfolg beschieden.. aber genau deswegen zeige ich euch diese Partien, auch ausgehend von der Überlegung, was GM spielen, läßt sich erklären und sogar auf unserer Ebene umsetzen.

Wir gehen also so vor und das ist schwer wegen der Selbst-Disziplin:

  1. Wir nehmen permanent eine Stellungsbewertung vor, schätzen weiße und schwarze Stellung ein und bewerten sie für jeden Zug nach diesen Merkmalen...
    · Aktive Figuren-Stellung
    · Zusammenwirkung aller Figuren
    · Raum, Zeit und Kraft (wer kommt schneller..?)
    · Strukturelle Felderschwächen
    · Überlastungen (Figuren decken mehrere Punkte)
    · Übergewichte an Flügeln

  2. Wir entwickeln Pläne (für beide Parteien..!), zumindest in wichtigen Phasen...
    Zunächst mal so, daß reale (mögliche) Stellungstypen entstehen
    Dann so, wie wir uns wünschen , daß die Figuren stehen sollten, also eher virtuell (fragen, was muß ich tun, um diese Felder zu erreichen)
    Wir knüpfen mindestens 3 verschiedene Drohungen an einen Zug (nie nur 1 Drohung, da diese leicht entdeckt und pariert wird) und begründen diese...

So, jetzt sind wir gut präpariert, um die nachfolgenden Lektionen besser zu verstehen...!
Den Auftakt bildet wie immer eine GM-Partie...!











Stellung nach:

(1) Leko,P - Bunzmann,D [C11]
Match, 1999

1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Sf6 4.Lg5 dxe4 5.Sxe4 Le7 6.Lxf6 gxf6 7.Sf3 b6 8.Ld3 Lb7 9.De2 c6 10.c4 Sd7 11.Sc3 Dc7 12.0-0 0-0-0 13.Tfd1 Kb8 14.a3 Sf8 15.b4 Sg6 16.De3 Sf4 17.Lf1 Thg8 18.c5 Lehrbuchhaft gespielt, nagelt den "schlechten" weißfeldrigen Läufer fest, mit der Option, den Damenflügel zu öffnen, das Feld d5 ist in Anbetracht des weißen Läufers momentan gut herzugeben. 18...Tg7 19.Tac1 b5 20.a4 a6 hier enthalte ich mich der Kommentare, da Schwarz wohl mit Schlagen des Bauern a4 wahrscheinlich besser gefahren wäre... 21.g3 h5 22.axb5 axb5 [22...cxb5 23.c6 Lxc6 24.d5 Sxd5 (24...exd5 25.Sd4 Lb7 26.Scxb5 De5 27.Sc6+ Lxc6 28.Da7+ Kc8 29.Txc6++-) 25.Sxd5 exd5 26.Sd4 Td6 27.Sxc6+ Txc6 28.Txc6 Dxc6 29.Dxe7+-] 23.d5!!








ein Durchbruch auf einem von Schwarz mehrfach überwachtem Feld..! Der Zweck des Zuges dient sehr vielen Perspektiven, u.a.: Freiräumung des Feldes d4, Zerstückelung der Königflügel-Bauern (Doppelbauern, Isolani, leichter abholbar), Linien-Öffnung e-Linie, tauschen der stark stehenden Figuren von Schwarz (restl.Figuren stehen danach schlecht..!) 23...Sxd5 24.Sxd5 Txd5 25.Txd5 exd5 [25...cxd5 26.Lxb5 (26.Sd4 De5 27.Dd2‚) ] 26.Te1 Ld8 27.Lh3 f5 schon werden die Früchte eingesackt: allerdings kann S. dadurch seine Position nicht mehr verbessern, er geht in der Zeitnot unter [27...Lc8 28.Dh6 Tg8 29.Dxh5 besseres Endspiel, s. Bh2 und Feld d4] 28.Lxf5 Tg8 29.Dh6 man muß schon genau spielen, Lf6 darf nicht zugelassen werden..! 29...Le7 30.Se5 Lg5 31.Dxh5 Ld2 32.Sd7+ Ka7 33.Ta1+ La6 34.Dxf7 Td8 35.Se5!








man betrachte die Stellung, das Positionsopfer Bd5 brachte 2 Bauern, unwiderstehlichen Angriff und eine schöne Partie... 1-0














Stellung nach:

(2) Böhm,M - Gheng,J [A25]
Spaichingen SS45, 1999

1.c4 e5 2.Sc3 Sc6 3.g3 g6 4.Lg2 Lg7 5.Sf3 Sge7 6.0-0 0-0 7.d3 Sd4 8.Se1 c6 9.e3 Se6 10.Sc2 f5 11.d4 e4 12.b3 d6 13.La3 Sg5 14.Tb1 Le6 15.De2 Kh8 16.Tfd1 Lg8 17.b4 Tc8 18.h4 Sf7 19.c5 a6 20.Lb2 Sh6 21.a4 Sd5 22.Sxd5 Lxd5 23.La3 b5 24.cxb6 Dxb6 25.Lf1 Ta8 26.Se1 f4!!








zur Schlacht, die da voll im Gange ist, kein Kommentar, da nicht Gegenstand unserer Untersuchung...wichtig allein ist das Erkennen von Chancen während des Spiels und der Innerung der Motive...! [26...Sg4 27.Sg2 h6 28.Sf4 Lf7 29.d5 g5 30.hxg5 hxg5 31.Se6 Lxe6 32.dxe6 d5 33.b5 mit sehr gutem Spiel für Weiß, also diente f4 zur Behinderung von Weiß.] 27.gxf4 Sf5 28.h5 Tg8 29.Lh3 Lf6 30.Kh2 Sh4 31.b5!!








diesmal konnte / mußte ich ein positionelles Opfer zur Verbesserung der Läuferstellung spielen... 31...axb5 32.Lxd6 Txa4 33.Ta1 Dd8 34.Le5 Sf3+ 35.Sxf3 exf3 36.Db2 gxh5 37.e4 dies war der Plan von b5... 37...Txa1 38.Dxa1 Lxe5 39.dxe5 Dh4 40.e6+ Tg7 41.Da8+ Tg8 42.Da1+ 1/2-1/2














Stellung nach:

(3) Böhm,M - Schüssler (IM),H [A10]
Dortmund, 1978

1.c4 b6 2.Sc3 e6 3.Sf3 Lb7 4.g3 Lxf3 5.exf3 c5 6.d3 Sc6 7.f4 Sge7 8.Lg2 d6 9.0-0 g6 10.f5!!








3-fach gedecktes Feld und trotzdem f5 ...dient zum optimalen Einsatz des Läufers auf g5, der Verhinderung der Schwarzen Rochade (langfristig)...10...gxf5 11.Lg5 Tc8 12.Te1 Tg8 13.Lh4 vermeidet Abtausch, hält die Fesselung aufrecht, S. kann sich nicht recht entwickeln 13...Se5 14.a4 Dd7 15.a5 Tb8 16.Ta4?! dieser Zug verdirbt die Partie...meist kann man in solchen Stellungen nicht ohne weiteres Tempi verschenken..! [16.axb6 Txb6! (16...axb6? würde W. das Feld b5 und die a-Linie ohne Gegenspiel geben) 17.Ta3 S7g6 18.Lf6 Lg7 19.Lxg7 Txg7 20.Da1 Sxd3? (20...f6 21.Sb5 a6 22.Txa6 Txa6 23.Dxa6 Ke7 24.Ta1‚) 21.Sd5] 16...bxa5 17.Txa5 S7c6 18.Ta3 Lg7 19.Sb5 h6 20.Dh5 Kf8! nicht Sg6, dann Te6..! 21.Ta6 [Fritz 5.00: 21.f4 Sg6 (Fritz 5.00: 21...Sxd3 22.Lxc6 Dxc6 23.Txd3 d5 24.cxd5 Dxb5 25.dxe6 fxe6 26.Txe6) 22.Lxc6 Dxc6 23.Txa7 Lxb2 24.Dxh6+ Tg7 25.Te3 Lc1 26.Txe6] 21...Tb6 22.Tea1 Txa6 23.Txa6 Dc8 24.Ta3 a6 25.Sxd6 Dd7 26.d4 Dxd6 27.dxe5 Sxe5 28.Lb7 Sg4 29.Txa6 Dd1+ 30.Kg2 Ld4 in der Zeitnot-Phase konnte S. seine Stellung verbessern, während W. den Faden verlor.. 31.Lf6 Lxf6 32.Lf3 Dd4 33.Lxg4 Txg4 34.Ta7 Tg6 0-1














Stellung nach:

(4) Böhm,M (2190) - Mosna,S [C49]
HP Open, 1997

1.e4 e5 2.Sf3 Sf6 3.Sc3 Sc6 4.Lb5 Lb4 5.0-0 0-0 6.d3 d6 7.Lg5 Lxc3 8.bxc3 Lg4 9.h3 Lh5 10.g4 Lg6 11.Lxc6 bxc6 12.Tb1 De7 13.Dc1 De6 14.Sh4 d5 15.f3 Sd7 16.Da3 Sb6 17.Sf5 f6 18.Le3 Kf7 19.Kf2 h5 20.Tg1 hxg4 21.hxg4 Th8 22.Th1 Lxf5 23.gxf5 Dd6 24.Lc5 Dd8 25.Tbg1 bis hierher konnte ich kleine Vorteile sammeln, wie z.B.: starker Läufer, mehr Raum, Angriffsziel g7...aber sonst war noch "nicht viel Gewinn" in Sicht... 25...Dg8 26.c4!!








die Stellung wird geöffnet, es entstehen Trippel-Bauern auf der c-Linie...allein schon dieser Gedanke war es mir Wert, diesen Zug zu spielen... 26...Txh1 27.Txh1 dxc4 28.Dc3 Ke8 [28...cxd3?? 29.Db3+] 29.d4 exd4 [29...Sa4 30.Da5 Sxc5 31.Dxc5 Kd7 32.dxe5 fxe5 33.Td1+‚] 30.Lxd4 Td8 31.Lxf6 gxf6 32.Dxf6 Kd7 33.Th8!








diesen schönen Abschluß hatte er (ebenso wie ich in hochgradiger Zeitnot) übersehen... 1-0














Stellung nach:

(5) Rädeker,B (2225) - Böhm,M (2230) [E97]
Oberliga , 1999

1.d4 Sf6 2.Sf3 g6 3.c4 Lg7 4.Sc3 0-0 5.e4 d6 6.Le2 e5 7.0-0 Sc6 8.d5 Se7 9.b4 Sh5 10.Te1 Sf4 11.Lf1 a5 12.bxa5 Txa5 13.Sd2 c5 14.a4 Ta6 bis hierhin sahen wir eine Kopie der Partie "Kramnik-Kasparov", Rädeker setzt hier sicherer fort...aber auch ambitionsloser... 15.Sb3 f5 16.f3 g5!!








bitte behaltet stets im Hinterkopf, daß die 2 Ausrufe-Zeichen nur im Hinblick auf die Themen-Stellung vergeben wurden...17.g3 Sfg6 18.Lxg5 f4 19.g4 h6 20.Lxe7 Dxe7 der Zweck des Bauernopfers fand mind. 3 Aspekte: 1. es spielt nur Schwarz 2. mit dem schwarzfeldrigen weißen Läufer fehlt die Figur zur Deckung der schwarzen Felder von Weiß 3. nach Öffnung mit h5 entsteht entweder ein Freibauer auf f4 oder die h-Linie geht zum Angreifen auf... 21.Sb5 Tf7 22.Te2 Sh4?! ungenau, besser Lf6, nebst Th7 und h5, wenn dann h3 deckt, dann Lh4 und Lg3...! 23.Sd2 Lf8 24.h3 h5 25.Th2 Dg5 26.Le2 Th7 27.Kh1 Dd8 28.Dc2 Le7 29.Tg1 Kf7 30.Ld1 Sg6 31.Sf1 Lh4 hier sieht man den Unterschied, jetzt konnte der weiße Springer das entscheidende Feld g3 fixieren..! 32.Dg2 hxg4 33.hxg4 Ld7 34.Db2 Db6 35.Tgg2! im Sinne des erfolgreichen Mannschafts-Kampfes nach der zweiten Aufforderung remis gegeben ... 1/2-1/2





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